Pinot Noir: sensibel im Rebberg – charmant im Glas

Aus der Pinot Noir (Blauburgunder) Traubensorte entstehen sehr begehrte Edelweine; für Winzer ist sie jedoch eine echte Herausforderung. Die dünnhäutigen Beeren sind anfällig für typische Rebenkrankheiten, sie vertragen keinen Frost und neigen bei nassem Herbstwetter zu Fäulnis. Die beiden Önologen Andreas Stössel und Roman Rutishauser erklären, weshalb die Diva unter den Rotweintrauben im Kanton St. Gallen dennoch so beliebt ist.

 

Umschreibt bitte mit eigenen Worten die Pinot Noir-Aromen, die sich im Weinglas entfalten:

Roman Rutishauser: Je nach Terroir, Winzerarbeit am Rebstock, Wetter und Vinifizierung zeigen sich Aromen in einem riesigen Spektrum, das von frischfruchtig bis reiffruchtig reicht. Der Ausbau in unterschiedlichen Gebinden und die variierende Dauer verleihen dem Pinot Noir zusätzlich Fülle, Schmelz und Aromakomponenten. Die Säure ist meiner Meinung nach ein wichtiger Bestandteil des Pinots. Sie gibt dem Wein die nötige Frische und damit Trinkfluss, Langlebigkeit sowie Balance.

Der Pinot Noir ist die meistverbreitete und somit bedeutendste Rebsorte im Kanton St. Gallen. Gleichzeitig gilt sie als Diva unter den Traubensorten. Wie äussert sich das unberechenbare Naturell der Pinot-noir-Traube?

Andreas Stössel: Ihre Anfälligkeit für verschiedene Krankheiten und Fäulnis macht Pinot Noir zu einem anspruchsvollen Gewächs. Hinzu kommt, dass sie früh austreibt und entsprechend stark frostgefährdet ist. Den Trauben im perfekten Moment die richtige Pflege zukommen zu lassen, erfordert viel Erfahrung und Fingerspitzengefühl. Die Rebsorte bedarf einer äusserst sorgfältigen Vinifikation. Zudem ist sie fordernd, was die Bodenbeschaffenheit und Lage angeht. Sie liebt kalkhaltige Lehm- und Tonböden. Darauf kann sie langsam und gleichmässig reifen.

Wieso ist die Traubensorte trotz ihrer hohen Ansprüche auch in der Ostschweiz so beliebt?

Roman Rutishauser: Die Fähigkeit der Rebsorte, das Terroir ihres Anbaugebiets zum Ausdruck zu bringen, sowie ihr komplexes Geschmacksprofil und ihre gute Lagerfähigkeit machen sie zu einem Favoriten für Winzer und Weinliebhaber. Erfahrene Winzer erreichen mit der richtigen Vinifikation auf dem jeweiligen Terroir wunderbare Weine. Für uns Winzer sind die wachsende Qualität und Nachfrage ein grosser Reiz und Ansporn. Viele Ostschweizer Önologen haben ihre Pinot Noir-Kenntnisse so weit perfektioniert, dass ihre Blauburgunder im internationalen Vergleich glänzende Noten erhalten.

Wie wirken sich die tendenziell immer wärmeren Temperaturen in unseren Breitengraden auf die Aromen des Blauburgunders aus?

Andreas Stössel: Generell kann man für die Weinberge im Kanton St. Gallen sagen, dass sich die zunehmende Erwärmung, hinsichtlich Aromatik im Moment noch qualitätssteigernd auf den Blauburgunder auswirkt. Die begehrte Kühl-Klima-Aromatik ist attraktiv präsent. Beim Blauburgunder sind damit rotbeerige Aromen gemeint wie Himbeeren, reife Walderdbeeren und Preiselbeeren. Die Wärme sorgt zurzeit dafür, dass wir bezüglich Körper und Schmelz die Weine im Gaumen interessanter gestalten können. Allerdings müssen wir im Weinberg gut darauf achten, dass wir akribisch genau die äusseren Bedingungen in unseren Rebbergen beobachten und unmittelbar entsprechende Massnahmen ergreifen. Ansonsten riskieren wir, dass sich in unseren Pinot Noir-Weinen plötzlich monotone Rumtopfaromen bilden und in Kombination mit einem höheren Alkoholgehalt nicht mehr elegant und belebend daherkommen.

Was sind das für Massnahmen?

Roman Rutishauser: In langen Hitzeperioden, wie wir sie Ende August und im September hatten, verloren die Trauben vor allem an exponierten Lagen Flüssigkeit und begannen auszutrocknen. Hier war es notwendig, bereits im Weinberg eine strenge Selektion vorzunehmen. Dank dieser rigorosen Sortierung konnten wir diesen Herbst faszinierende und tiefgründige Trauben ernten.

Welche Facetten weist der Pinot Noir-Jahrgang 2023 auf?

Andreas Stössel: Geprägt durch die Wärme brachten wir einen tiefroten Pinot Noir mit blauen Reflextönen und mit einem äusserst spannenden Charakter in den Keller: rote Beeren und Gewürze in wunderbarem Kontrast, verbunden mit Vielschichtigkeit, Tiefe und Schmelz – ein Traum!

Pinot Noir

Pinot Noir ist eine alte rote Rebsorte, die im deutschen als Blauburgunder, aber auch als Spätburgunder oder Schwarzburgunder, bezeichnet wird. Der Pinot Noir ist die wichtigste Rotweinsorte der Schweiz. Die Heimat dieser edlen Rebsorte ist das Burgund. Der Name Pinot, abgeleitet vom Französischen «pin» = Fichte bzw. Fichtenzapfen, weist auf seine klassische Traubenform hin.